PERSPEKTIVEN am Morgen

von Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden

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 Dr. Ulrich Stephan

18. März 2024

Liebe Leserinnen und Leser,

die Industrieproduktion in der Eurozone bricht ein, Lohnsteigerungen in Japan könnten der erste Schritt in Richtung nachhaltiger Inflationsdynamik sein, und die indische Zentralbank dürfte an ihrer Geldpolitik vorerst festhalten.


Eurozone: Industrie schwächelt

Die Industrieproduktion in der Eurozone ist im Januar gegenüber Vormonat um 3,2 Prozent eingebrochen – der stärkste Rückgang seit März 2023 und der zweitstärkste seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Zudem hat sich die Stimmung in der Industrie zuletzt wieder verschlechtert; der Indikator der EU-Kommission fiel im Februar auf den niedrigsten Stand seit sechs Monaten. Auch der Einkaufsmanagerindex für die Industrie – ein als verlässlich geltender Frühindikator – bewegt sich seit 21 Monaten unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Seit dem Tiefpunkt im Juli vergangenen Jahres ist dieser jedoch um 3,8 auf 46,5 Punkte im Februar gestiegen und könnte im Laufe des Jahres die 50-Punkte-Marke überschreiten. Ein Anziehen der Konjunktur bei sinkenden Zinsen in der zweiten Jahreshälfte dürfte Industrieunternehmen und ihren Aktien Auftrieb verleihen.


UK: Zinssenkung verzögert

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vereinigten Königreich stieg im Januar um 0,2 Prozent gegenüber Vormonat, nachdem im vergangenen Halbjahr eine technische Rezession vermeldet worden war. Der Arbeitsmarkt zeigt sich derweil stabil: Die Arbeitslosenquote liegt bei 3,9 Prozent; die Löhne stiegen in den drei Monaten bis Januar um durchschnittlich 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Angesichts der Wachstumserholung im Januar, des robusten Arbeitsmarkts und der jüngsten Verbesserung des branchenübergreifenden Einkaufsmanagerindex auf 53 Punkte – der höchste Wert seit Mai 2023 – stehen die Chancen eines wachsenden BIP für das erste Quartal insgesamt gut. Die wirtschaftliche Stärke verzögert Zinssenkungen der Bank of England. An den Terminmärkten wird eine erste Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte am 1. August erwartet, während für die Fed und die EZB bereits Zinssenkungen im Juni erwartet werden. Ich glaube jedoch, dass die Notenbanken die Zinsen synchron senken werden. Die Währungskurse dürfte dies daher wenig beeinflussen.


Japan: Lohnsteigerungen ebnen Weg für Ende der Negativzinsen

Die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen stieg Ende vergangener Woche auf 0,8 Prozent – den höchsten Stand seit vier Monaten. Der Grund: Anleger bereiten sich auf die morgige Entscheidung der Bank of Japan (BoJ) vor, bei der ein Ende der Negativzinspolitik verkündet werden könnte. Am Freitag berichtete Japans größte Gewerkschaftsgruppe RENGO, dass ihre Mitglieder bisher Lohnsteigerungen von im Schnitt 5,3 Prozent verhandelt haben – das letztjährige Ergebnis von 3,8 Prozent war bereits das höchste seit 30 Jahren gewesen. Seit der Jahrtausendwende beträgt die jährliche Inflation Japans durchschnittlich gerade einmal 0,3 Prozent; vor der Corona-Pandemie waren es sogar nur 0,1 Prozent. Die Lohnsteigerungen könnten der erste Schritt in Richtung nachhaltiger Inflationsdynamik sein. Japanische Anleihen dürften jedoch aufgrund ihrer geringen Verzinsung und des Wechselkursrisikos für europäische Anleger auch weiterhin wenig interessant sein.


Indien: hohe Inflation ohne Reaktion?

Die Verbraucherpreisinflation im Vergleich zum Vorjahr verharrte in Indien mit 5,1 Prozent im Februar in etwa auf dem gleichen Niveau wie bereits im Januar. Damit lag die Inflation den sechsten Monat in Folge unter dem oberen Toleranzband der Zentralbank von sechs Prozent. 

Die Kerninflation – ohne Nahrungsmittel und Energie – ist von 3,6 Prozent im Januar auf 3,3 Prozent zurückgegangen. Dies war der niedrigste Stand der Kerninflation seit 2012. Die Zentralbank RBI warnte jedoch vor Aufwärtsrisiken durch schwankende Lebensmittelpreise und geopolitische Spannungen, weshalb kurzfristig keine geldpolitische Änderung anstehen dürfte. Erste Leitzinssenkungen dürften dann nach dem ersten Schritt der Fed in den USA in der zweiten Jahreshälfte in Erwägung gezogen werden. Dem heimischen Aktienmarkt und allen voran den Wachstumssektoren dürften die Zinssenkungen dann zusätzlichen Schub verleihen.


Luxusaktien im Trend

Europäische Luxusaktien sind zuletzt stark gestiegen – vor allem aufgrund guter Quartalsergebnisse. Eine besonders wichtige Rolle für den Sektor spielt der Markt in China. Wie die Aussichten für die kommenden Monate sind, erfahren Sie von mir im Gespräch mit Finanzjournalistin Jessica Schwarzer.


Was diese Woche wichtig wird

Im Laufe der Woche, weltweit | Zinsentscheide unter anderem in Australien, China, Indonesien, Brasilien, der Schweiz, Norwegen, dem Vereinigten Königreich und Mexiko.

Dienstag, Japan | Zinsentscheid der Bank of Japan. Erste Daten zu den Lohnverhandlungen im Frühjahr deuten auf kräftige Lohnerhöhungen hin. Es bestehen gute Chancen, dass die deflationären Tendenzen der vergangenen 30 Jahre überwunden werden können. Die Währungshüter könnten den Zinszyklus mit einer Erhöhung um 0,1 Prozentpunkte auf null Prozent einleiten. Eine Anhebung im April erscheint aber etwas wahrscheinlicher, da bis dahin weitere wichtige Details über die Zweitrundeneffekte bekannt sein werden. Das Ende des Negativzinsumfelds könnte Druck auf die Anleihekurse ausüben und den Yen unterstützen. 

Mittwoch

  • Japan | Feiertag. Die Börse bleibt geschlossen.
  • USA | Zinsentscheid. Die Fed dürfte den Leitzins wahrscheinlich unverändert bei 5,25 bis 5,5 Prozent belassen, allerdings könnte sich Gouverneur Jerome Powell nach den zuletzt unerwartet hohen Inflationsraten restriktiver äußern. An den Märkten könnten für dieses Jahr weniger Leitzinssenkungen eingepreist werden, was die Kurse von Staatsanleihen und die Bewertungen von Aktien belasten könnte.

Donnerstag, Industrieländer | Vorläufiger Einkaufsmanagerindex im März. Die Stimmung dürfte sich branchenübergreifend leicht aufgehellt haben. Während das Verarbeitende Gewerbe in den meisten Ländern aber wahrscheinlich weiter schrumpft, bleibt der Dienstleistungssektor auf Wachstumskurs. Robuste Daten könnten Anleiherenditen sowie Gewinnerwartungen börsennotierter Unternehmen antreiben.


          Zahl des Tages: 390.000.000

          Eine bis zu vier Meter hohe Pflanze mit hohlem Stamm, ohne Blätter, dafür mit einer Krone aus fein verzweigten Ästchen: Calamophyton hat auf den ersten Blick wenig mit einem Baum zu tun, gilt aber als eine Art Prototyp unserer modernen Bäume. Neil Davies von der Universität Cambridge und sein Team haben jetzt am felsigen Südufer des Bristolkanals in Südwest-England einen versteinerten Calamophyton-Wald entdeckt. Mit einem Alter von 390 Millionen Jahren gelten die Fossilien aus der Zeit des Devon als der älteste Wald der Welt. Der Fund erlaubt es den Forschern, die Ökologie der ersten Waldgebiete zu untersuchen. Romantische Orte waren es wohl nicht: Blumen, Gras und Unterholz erschienen erst Jahrmillionen später auf der Erde. 

          Denken Sie heute langfristig. 

          Herzlichst

          Ihr Ulrich Stephan

          Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden


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