PERSPEKTIVEN am Morgen
von Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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23. Juli 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten im Euroraum steigt deutlich, US-Importzölle belasten vor allem heimische Unternehmen, und der GENIUS Act schafft erstmals klare Regeln für digitale US-Dollar-Token.
Lagarde sieht EZB gut positioniert – Märkte erwarten Zinspause
Die Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten im Euroraum stieg im zweiten Quartal mit 37 Prozent zum Vorquartal erneut deutlich – das geht aus der Bankumfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) hervor. Haupttreiber waren rückläufige Zinsen und verbesserte Aussichten am Wohnungsmarkt. Auch die Nachfrage nach Konsum- und Unternehmenskrediten trotze mit leichten Nettozuwächsen den globalen Unsicherheiten und Handelsspannungen der vergangenen Monate. Der Ausblick der Banken für das dritte Quartal ist erneut konstruktiv: Sie erwarten dynamische Zuwächse bei Finanzierungen von Wohnimmobilien, ein robustes Wachstum bei Unternehmenskrediten sowie eine nahezu konstante Nachfrage nach Verbraucherdarlehen. Dies unterstreicht die jüngst von EZB-Chefin Christine Lagarde erwähnte „gute Position“ der Notenbank. Diese ermöglicht es den Währungshütern, die Entwicklung in den Handelsverhandlungen mit den USA abzuwarten. Für den morgigen Zinsentscheid erwarte ich keine Überraschung. Der Einlagensatz dürfte bei 2,0 Prozent belassen werden. Bis Jahresende preisen die Märkte eine weitere Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte ein. Bleiben Inflationsschocks aus und zieht die Konjunktur im Jahr 2026 – wie von mir erwartet – an, könnte die EZB damit zugleich das Ende des aktuellen Lockerungszyklus erreicht haben.
US-Zölle: Wer zahlt wirklich?
Seit Beginn der Diskussionen über Zölle und Handel stellt sich die Frage: Wer trägt die Kosten der Zölle? Inzwischen haben die USA über 100 Milliarden US-Dollar an Zöllen eingenommen. US-Präsident Donald Trump versprach den Amerikanern, dass ausländische Produzenten zahlen würden. Wenn das tatsächlich zuträfe, müssten die Importpreise an den US-Grenzen sinken, damit die Endpreise trotz Zöllen stabil bleiben. Doch genau das ist nicht zu beobachten – die Preise sind nur minimal gefallen, vor allem bei Waren aus Kanada. Besonders aufschlussreich ist der Blick auf chinesische Produkte: Trotz Zöllen von 30 Prozent sanken die Importpreise lediglich um ein Prozent. Da auch der Verbraucherpreisindex kaum gestiegen ist, gleichen US-Importeure die zusätzlichen Kosten offenbar über geringere Margen aus. Daraus ergeben sich drei zentrale Erkenntnisse:
- Ausländische Exporteure spüren die Zölle bislang kaum.
- Der Inflationsdruck dürfte in den kommenden Monaten zunehmen.
- Die Belastung der US-Wirtschaft dürfte den US-Dollar weiter schwächen.
GENIUS Act bringt Klarheit für digitale US-Dollar-Token
Der US-Kongress hat mit parteiübergreifender Mehrheit den „Guiding and Establishing National Innovation for U.S. Stablecoins Act“ (kurz: „GENIUS Act“) verabschiedet. Das Gesetz schafft erstmals einen klaren rechtlichen Rahmen für Stablecoins, die an den US-Dollar gekoppelt sind. Nach der Zustimmung des Senats liegt der Entwurf nun US-Präsident Donald Trump zur Unterzeichnung vor. Parallel wurde der „Digital Asset Market Clarity Act of 2025“ beschlossen, der eine umfassende Regulierung des Kryptomarktes vorsieht. Der Senat prüft diesen Entwurf derzeit. Das Gesetz gilt als Meilenstein für die Digitalwährungsbranche. Aktien von Kryptounternehmen legten nachbörslich zu. Der GENIUS Act verpflichtet Anbieter von Stablecoins, ihre digitalen Währungen – auch „Token“ genannt – vollständig mit Bargeld oder kurzfristigen US-Staatsanleihen zu decken und ihre Reserven monatlich offenzulegen. Stablecoins haben derzeit einen Marktwert von rund 262 Milliarden US-Dollar und machen damit nur einen kleinen Teil des insgesamt 3,8 Billionen US-Dollar großen Kryptomarktes aus. Die neuen gesetzlichen Vorgaben könnten das ändern. In den vergangenen zwölf Monaten stiegen Indizes mit Kryptounternehmen – unter deutlichen Schwankungen – um etwa 52 Prozent. Zudem könnten die USA einen neuen Käuferkreis für ihre Staatsanleihen erschließen, falls sich traditionelle Investoren zurückhalten.
Berichtssaison USA: Schwächephase bei Small und Mid Caps setzt sich fort
Kleine und mittelgroße US-Unternehmen werden in den kommenden Wochen ihre Zahlen zum zweiten Quartal vorlegen. Analysten erwarten, dass die Gewinne der S&P-MidCap-400-Firmen im Vorjahresvergleich um vier Prozent gesunken sind; für die Gewinne der S&P-SmallCap-600-Firmen prognostizieren sie einen Rückgang um zwei Prozent. Experten haben ihre Schätzungen für die Sektoren Grundstoffe, Energie und Kommunikation beider Indizes um jeweils mindestens 20 Prozent gesenkt. Somit setzt sich die Schwächephase der kleineren US-Konzerne fort: Im ersten Quartal wuchsen die Gewinne der S&P-400-Firmen nur um 0,4 Prozent, während die der S&P-600-Firmen um 9,6 Prozent gefallen sind.
Vor dem Hintergrund schwacher Gewinne, durchwachsener Konjunkturaussichten und hartnäckiger Inflation halte ich mich bei US-Nebenwerten noch zurück – wenngleich sie mittlerweile günstig bewertet sind.
Zölle ab August? Markt unterschätzt das Risiko
Allzeithochs an den US-Börsen, starke Zahlen von Big Tech – und dennoch mehren sich die Warnsignale. Können Zölle, politische Spannungen und eine zögerliche Fed die Stimmung kippen? Ob die Märkte zu sorglos sind und was das für die kommenden Wochen bedeutet, diskutieren Finanzjournalistin Jessica Schwarzer und ich in der aktuellen Folge von PERSPEKTIVEN To Go.
Zahl des Tages: 36.000
Er wird noch nicht mit Gold aufgewogen, aber den aktuellen Silberpreis lässt er spielend hinter sich: der Blauschimmelkäse des Produzenten Ángel Díaz Herrero, der bei der traditionellen Käseversteigerung in der nordspanischen Gemeinde Cabrales unter den Hammer kam. Ein Restaurant der Region zahlte 36.000 Euro für den 2,3-Kilo-Laib und stellte damit einen neuen Auktionsrekord auf. Zehn Monate lang durfte das Produkt aus Kuhmilch in einer hoch gelegenen Berghöhle Asturiens reifen, bis es seine charakteristische graublaue Farbe und vermutlich ein einzigartiges Aroma entwickelt hatte – nichts anderes dürften Käseliebhaber bei einem Preis von fast 490 Euro pro Feinunze erwarten.
Schaffen Sie heute Mehrwert.
Herzlichst

Ihr Ulrich Stephan
Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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