PERSPEKTIVEN am Morgen
von Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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23. Oktober 2025
Liebe Leserinnen und Leser,
kleine und mittlere französische Firmen werden günstig gehandelt, Europas Versorgeraktien schlagen den Gesamtindex, und Gerätehersteller stocken ihre Chipbestände auf.
Frankreich: kleine Unternehmen, großes Potenzial?
Trotz anhaltender politischer Turbulenzen und gedämpftem Wirtschaftswachstum in Frankreich hat der Leitindex CAC 40 am Dienstag mit knapp 8.270 Punkten ein neues Allzeithoch erreicht. Rückenwind erhielt der Index durch Anzeichen einer Entspannung im Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie eine bislang solide Berichtssaison französischer Unternehmen. Allerdings profitieren insbesondere Aktien großer Konzerne, die 85 Prozent ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften. Ähnlich wie in Deutschland sind es die kleineren Unternehmen, die stärker an der inländischen Wirtschaftsentwicklung hängen. Historisch handelten Aktien kleiner und mittelgroßer französischer Unternehmen auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses in der Regel mit einer Prämie von rund 20 Prozent gegenüber den großen Werten. Aktuell werden sie mit einem Abschlag von 20 Prozent bewertet. Für Anleger, die auf eine Erholung der französischen Wirtschaft setzen, bieten Aktien kleinerer französischer Unternehmen derzeit eine interessante Investitionsmöglichkeit.
Brasilien: Offshore-Ölerkundung zugelassen
Aktien aus dem MSCI Brasilien verzeichnen seit Jahresbeginn einen Zuwachs von über 17 Prozent. Getragen wird dieser Anstieg vor allem von Finanzwerten, die rund 40 Prozent des Index ausmachen und von hohen Zinsen profitieren. Dagegen belastet der zweitgrößte Sektor, Öl und Gas, aufgrund der gedämpften Ölpreisentwicklung die Gesamtperformance des Index. Mittelfristig könnten jedoch steigende Fördermengen dem brasilianischen Ölsektor zu höheren Gewinnen verhelfen: Die brasilianische Umweltbehörde hat kürzlich die Genehmigung für Erkundungsbohrungen im Mündungsbecken des Amazonas erteilt. Dieses Offshore-Becken im Nordosten Brasiliens ist vielversprechend, da es geologisch der Ölfundstelle im Nachbarland Guyana ähnelt. Der Fund dieses Ölfelds vor einigen Jahren legte den Grundstein für die heute stark wachsende Ölförderung in Guyana. Dank seiner Ölvorkommen verzeichnete das Land im Jahr 2024 das weltweit höchste Wirtschaftswachstum. Für den MSCI Brasilien wird ein Gewinnanstieg von 11,3 Prozent in den kommenden zwölf Monaten erwartet, wodurch das prognostizierte Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 7,7 sinkt. Umweltbedenken rund um das neue Erdölprojekt könnten jedoch die weitere Entwicklung des Sektors belasten.
Europas Versorgertitel haben einen Lauf
Aktien europäischer Versorger konnten in den vergangenen Wochen merklich zulegen. Von den letzten 23 Handelstagen schloss der Versorgersektor des STOXX 600 22 Tage im Plus: ein Rekord. Zuletzt gab es eine ähnliche Serie mit 20 von 22 positiven Handelstagen im Jahr 1998. Seit Anfang des Jahres erzielte der Sektor eine Gesamtrendite von 29 Prozent und damit mehr als der Gesamtindex, der bei 16 Prozent liegt. Sinkende Kapitalmarktzinsen und ein unsicheres handels- und geopolitisches Umfeld haben Versorgeraktien für Investoren, die stabile Erträge suchen, attraktiver gemacht. Die erwartete Dividendenrendite steht immerhin bei knapp fünf Prozent. Zudem haben Analysten ihre Gewinnerwartungen für den Sektor im Laufe des Jahres sukzessive angehoben, was eine Bewertung auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses von 14 nach wie vor fair erscheinen lässt. Auch wenn ich nach der bisherigen Gewinnsträhne eine kurzfristige Gegenbewegung für wahrscheinlich halte, erscheint mir eine Beimischung von schwankungsarmen europäischen Versorgertiteln nach wie vor sinnvoll.
Digitale Assets: vom Spekulationsobjekt zur Anlageklasse?
Steigende Staatsverschuldung, Unsicherheit an den Märkten und die Suche nach neuen „sicheren Häfen“: Immer mehr Anleger setzen auf digitale Assets wie Bitcoin, Ethereum und Stablecoins – doch wie sinnvoll ist das wirklich? In der aktuellen Folge von PERSPEKTIVEN To Go diskutiere ich mit Finanzjournalistin Jessica Schwarzer über die Rolle von Kryptowährungen im Depot und über die Unterschiede zu klassischen Anlageklassen wie Gold und Aktien.
Speicherchips: Nicht nur KI treibt die Preise
Der weltweite Wettlauf der Chipproduzenten um KI-Halbleiter führt zu einer Verknappung weniger beachteter Chips. Seit dem Boom der Künstlichen Intelligenz, ausgelöst durch ChatGPT, verlagern Speicherchiphersteller ihre Kapazitäten zunehmend auf High-Bandwidth-Memory-Chips (HBM), die für leistungsstarke KI-Prozessoren unverzichtbar sind. Technologiekonzerne dürften in diesem Jahr fast 400 Milliarden in KI-Infrastruktur investieren, im nächsten Jahr sogar noch mehr. Gleichzeitig zieht das Volumen des Austauschzyklus klassischer Rechenzentren und Computer an, während Smartphone-Verkäufe besser als erwartet ausfallen – alles Faktoren, die den Mangel an herkömmlichen, nur begrenzt haltbaren Speicherchips wie Dynamic Random Access Memory (DRAM) verschärfen. Preise für DRAM-Speicherchips haben sich seit April fast verdreifacht. Die durchschnittlichen Lagerbestände sanken im laufenden Quartal auf acht Wochen, nach zwölf Wochen zu Jahresbeginn und 31 Wochen Anfang 2023. Der KI-Boom beflügelt nun auch die Aktien von Speicherchipherstellern, die bisher hinter den Anbietern spezialisierter KI-Chips zurücklagen. Die Knappheit treibt Preise und Margen von Herstellern in die Höhe, während Gerätehersteller fieberhaft ihre Bestände aufstocken.
Zahl des Tages: 300.000
An diesem Sonntag beginnt die Winterzeit. Auch wenn wir, wie in jedem Herbst, deshalb eine Stunde länger schlafen können, sind die Folgen für unsere innere Uhr doch bedenklich. Mediziner der Stanford University um Jamie Zeitzer modellierten die gesundheitlichen Auswirkungen der Zeitumstellung und stellten fest: Allein in den USA könnten jährlich 300.000 Schlaganfälle vermieden werden, wenn das Land dauerhaft zur Winterzeit, also zur „Normalzeit“ zurückkehren würde. Die Zahl der stark übergewichtigen Menschen könnte in diesem Fall um 2,6 Millionen zurückgehen. Das Alternativszenario für Langschläfer wäre eine permanente Sommerzeit, und auch die würde sich positiv auswirken – mit 220.000 weniger Schlaganfällen und 1,7 Millionen weniger Adipositas-Patienten.
Ich wünsche Ihnen einen aufgeweckten Tag.
Herzlichst

Ihr Ulrich Stephan
Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden
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